Wie Dosenbier schlau macht
Es ist immer wieder überraschend, wenn man auf mathematische Probleme trifft, bei denen zwei Bereiche aufeinander treffen, von denen man vielleicht nie gedacht hätte, dass sie miteinander zu tun hätten. So auch im folgenden Fall: Nachdem im allgemeinen Umzugsstress eine Tragetasche mit leeren Bierdosen (die ich längst hätte wegbringen sollen) umfiel und sich auf den Boden des Wintergartens leerte, fühlte ich mich spontan an eine interessante Fragestellung erinnert:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine beliebig auf den Boden geworfene Dose die (horizontalen) Fugen kreuzt, vorausgesetzt, die Dosen sind kürzer als der Abstand zwischen den Fugen
Da wir uns nicht auf Bierdosen beschränken wollen, führen wir noch die
Idealisierung ein, dass die Dosen einen Durchmesser von Null haben. Dann
ist das Problem als «Nadelproblem von
Buffon»
bekannt, das bereits 1777 sehr elegant gelöst wurde. Die Lösung, die ich
im folgenden präsentieren möchte, benutzt Analysis. Wir nehmen dazu an,
dass die Dose mit einem Winkel Alpha gegenüber der Horizontalen zu
liegen kommt. Der Winkelbereich bewegt sich dabei zwischen [(0 \leq
\alpha \leq {\pi\over2}) $$
Negative Winkel haben aus Symmetriegründen die gleiche
Wahrscheinlichkeit. Dann hat hat die Drehung einer Dose der Länge l
eine Höhe von $ l~\sin \alpha $ und die Wahrscheinlichkeit, dass
die Dose eine Fuge kreuzt ist [\frac{l~\sin \alpha}{d} ]
wobei der d der Abstand der Fugen untereinander ist.
Bilden wir also den Mittelwert über alle Winkel
[p={2\over\pi}\int_0\^{\pi\over2}\frac{l
\sin\alpha}{d}d\alpha={2\over\pi}{l\over
d}\left[-\cos\alpha\right]_0\^{\pi\over2}={2\over\pi}{l\over
d}]
und finden den Zusammenhang, dass die Wahrscheinlichkeit direkt proportional zu π ist! Das heißt, es sollte möglich sein, durch wiederholtes Bierdosenwerfen eine Näherung für π zu finden.
Prost!
Probieren wir es aus: Wir trinken eine genügend große Menge St. Galler
Schützengarten Klosterbräu und werfen
die Dosen möglichst achtlos hinaus auf den Balkon. Nach 3408maligem
Werfen wird etwa 1808mal eine Dose eine Fuge kreuzen. Bei einer
Dosenlänge von l=25cm und einem Fugenabstand von d=30cm ermitteln
wir
[\pi \approx
2~\frac{25}{30}~\frac{3408}{1808}=3.141592920353982$$
also immerhin auf sechs Stellen genau.
Als Taschenrechner verwende ich das Computeralgebrasystem Maxima; damit ermittelt man aus obigen Bruch auch die bekannte Näherung [\frac{355}{113}]
Fazit Dass die Kreiszahl π in einem stochastischen Problem auftaucht, mag zunächst überraschen. Weil wir aber die Frage mit trigonometrischer Betrachtung beantworten, muss π hier zwangsläufig auftauchen.