Mojave-Wüste
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.size-thumbnail .wp-image-1266 width=”150” height=”150”}So ist sie, die
Wüste: Du kletterst auf einen Hügel, um dir einen Überblick zu
verschaffen, doch dahinter sieht es einfach nach noch mehr Wüste aus.
Der Kontrast vom landschaftlich sehr reizvollen Highway 1 entlang der
Pazifikküste, der mich zum Joshua Tree National Park führt, ist enorm.
Dennoch, obwohl ich den Anblick einer Marslandschaft erwartet hatte,
überwältigt mich die Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren in dieser
unwirtlichen Gegend.
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Die Temperaturen sind um diese Jahreszeit angenehm, lediglich der anhaltende eiskalte Wind empfiehlt nachhaltig die warme Garderobe. Gegen Abend flaut er ab, aber schon kurz nach Sonnenuntergang wird es dank klaren Himmels empfindlich kalt. Fernab der Zivilisation — den nahegelegenen Ort Twentynine Palms kann man nicht wirklich dazu zählen — scheinen die Sterne hier klarer und zahlreicher zu sein, als ich das selbst aus der Kleinstadt gewohnt bin. Mit dem Fernglas kann man hier ohne Mühe freihändig Sternhaufen vor allem im Sternbild des Orion ausfindig machen.
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Mein alter Bundeswehr-Schlafsack bewährt sich gegen die Kälte. Am Schlafen hindert mich lediglich hin und wieder das Mitleid erregende Gejaule der Kojoten. Obwohl ich einige der Tiere auch in der Morgendämmerung in nächster Nähe hören kann, gelingt mir nur ein kurzer Blick auf ein flüchtendes Exemplar. Auch ein Nachsetzen und Anpirschen mit der Kamera bleibt erfolglos.
Nach einer kurzen Morgentoilette — es gibt natürlich kein fliessendes Wasser und das im mitgebrachten Kanister ist jetzt natürlich eiskalt — geht es weiter zur Lost Horse Mine. Die Strassen dorthin sind in hervorragendem Zustand; keine armtiefen Schlaglöcher wie auf den Highways, sondern eine makellose Asphaltdecke. Die Entfernungen sind mit dem Auto erfreulich kurz. Am Parkplatz bin ich alleine, kein Wunder, es ist noch nicht einmal sieben Uhr früh. Ausgerüstet mit Hut und Windjacke gegen die sengende Sonne und die kalte Brise mache ich mich auf den 6 Meilen langen Rundweg. Zu Trainings- und Testzwecken nehme ich auch den halb beladenen Rucksack mit, den ich vorher noch nie auf einem längeren Marsch dabei hatte. Die Hauptlast besteht dabei allerdings in Kamera und Fernglas.
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Die Wanderung ist ein Erlebnis: Eine Mischung aus Faszination über die Landschaft und die Einsamkeit, der man hier ausgesetzt ist. In den Momenten, in denen der Wind nachlässt, macht sich die Stille der endlosen Ebene breit. Das Universum der Einöde sieht in alle Richtungen gleich aus und ist doch wieder beim Näherkommen auf bemerkenswerte Weise überraschend vielfältig. Die Joshua Trees, einer nur hier vorkommenden Art der Yukka-Palme, scheinen ein ganz eigenes Kunstverständnis für abstrakte Formen zu entwickeln.
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In der Gegend eines offenbar erst kurz zurückliegenden Brandes demonstriert mir die Natur ihre erstaunliche Regenierungsfähigkeit: Aus den verkohlten Stümpfen der Bäume wachsen neue Ableger. Viele der Arten hier haben in den letzten Jahrmillionen gelernt, oder besser: von der Evolution auf die harte Tour beigebracht bekommen, wie man sich gegen die ständigen Brände durchsetzt. Mehr noch: Einige Arten, deren prominenteste Vertreter die Sequoias sein dürften, benötigen die Brände sogar für ihre Verbreitung. Lediglich für den Menschen stellen die teils verheerenden kalifornischen Waldbrände eine Bedrohung dar, die es zu beherrschen gilt.
Ein Höhepunkt des Rundwegs sollte eigentlich die verlassene Mine sein. Der Anblick ist aber enttäuschend. Eine Sammlung von Schrott aus dem 19. Jahrhundert, dazu noch eingezäunt und auch wegen denkbar schlechten Lichts nicht fotografierenswert, ein Motiv, von dem ich mir mehr erhofft hatte.
Der Weg, wenn man ihn denn als solchen bezeichnen kann, ist kaum noch klar erkennbar und führt immer wieder durch Abflüssen, die von springflutartigen Regenfällen gezeichnet wurden und wird ausserdem durch Büsche und Gestrüpp verdeckt. Gelegentliche Wegweiser bestätigen dann aber doch, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Dann, nur wenige Meter vor mir, springt ein Kojote aus dem Gestrüpp, flüchtet dann aber schnell, noch bevor ich meine Kamera zücken kann. Insgesamt kommen die „tierischen” Erlebnisse hier zu kurz. Einmal kann ich beobachten, wie ein Habicht ein Opossum fängt und abtransportiert. Diese Augenblicke sind einfach zu kurz. Als Tierfotograf braucht man sicher (viel!) mehr Zeit und Vorbereitung, als ich es aufbringen kann.
Irgendwann beschliesse ich, genug von dem Wüstenabenteuer zu haben und mache mich auf den Weg zurück. Zuvor will ich einen Blick in das Hidden Valley werfen, in dem sich in der Zeit des Wilden Westens Viehdiebe ihre Verstecke gesucht haben. Der Ort scheint ideal dafür zu sein. Da allerdings Viehdiebstahl kein zeitgemässes Geschäftsmodell mehr ist, tummeln sich hier Felskletterer auf den riesigen, chaotisch aufgetürmten Steinhaufen, die aus rauem Granit bestehen; hier gibt es ja nie Schnee oder Eis, der ihn polieren könnte.
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Der Weg zum südlichen Ausgang führt durch die endlos erscheinende Ebene
im Übergang zur Colorado-Wüste. Flora und Geologie ändern sich hier
innerhalb weniger Meilen. Die Strasse ist einem schlechten Zustand,
bietet aber kurvenreichen Fahrspass. Besonders beeindruckt mich der
Cholla Cactus Garden, eine weite Fläche von so genannten
Teddybär-Kakteen
(Cylindropuntia bigelovii), die aber entgegen des Namens zum Kuscheln
völlig ungeeignet sind. Grosse Warnschilder und Zäune sollen den
Besucher davor warnen, dass die Entfernung der Stacheln schwierig und
schmerzhaft ist.
Nach dem Verlassen des Parks kann ich auf der Interstate 10 noch eine Weile das Wüstenerlebnis ausklingen lassen; Wüstenpanorama soweit man schauen kann, aber doch wieder stark von der Zivilisation geprägt, wie das gigantische Windkraftwerk östlich von Palm Springs eindrucksvoll belegt.